Brief eines Feldhasen
Von Heidrun Heidtke
Wenn Jäger Füchse erschiessen, begründen sie es immer mit: Das Niederwild wird es uns danken oder wir haben dem Niederwild geholfen. In diesem Sinne folgender Brief.
Lieber Jäger,
heute will ich Dir einen Brief schreiben und Dir sagen wie dankbar ich Dir bin, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Von nun an darfst Du über mein Leben verfügen, es liegt in Deiner Hand. Ich weiss, dass Deine Hand nicht zärtlich ist und nach Tod und Schmerzen riecht. Aber das macht nichts, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Es macht mir auch gar nichts aus, wenn Dein Hund mich aus meinem Versteck hetzt und mich in Panik fliehen lässt. Oder Dein Hund mich ergreift und mir mit seinen scharfen Zähnen die Kehle aufreisst.
Dein Hund darf das, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Auch wenn Du dann auf mich schiesst und mich nicht richtig triffst, sodass ich nicht gleich tot bin sondern blutüberströmt mit zerschossenen Gliedern im Graben liege, bin ich Dir noch dankbar, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Es ist auch gar nicht schlimm für mich, wenn dann Dein Hund mich in meinem Schmerz und meiner Qual weiter bedrängt, mir an die Kehle will, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Und auch wenn Du meinen halbtoten, zerschossenen Körper an den Hinterläufen hochhebst, mich dann auf den Boden schleuderst oder mir einen Genickschlag versetzt, damit ich endlich tot bin. Ich schlucke auch dabei meine Pein herunter, denn ich bin ich Dir so unendlich dankbar, denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.
Dein Dir immer dankbarer Feldhase, der sein Leben für Dich gibt, damit Du Deinen Spass hast.
Denn Du hast mich vor dem bösen Fuchs gerettet.