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Tierethik - Der Comic zur Debatte

Einen ganz herzlichen Dank an das Veganbrunchteam Saarlouis für die großzügige Spende von 250,oo € für unseren Lebenshof!

Paula ist wieder da!

Paula, die kleine Großstadttaube

der beliebte Comic "zum Nachdenken" für groß und klein (in 4 Farben)

Skript zum Vortrag

 

„Geschlechterbedingte Ungleichheit und der Versuch, fair miteinander umzugehen“

 

der am 13.03.2016 beim Veganbrunch Saarbrücken gehalten wurde

Hunde wohnungsloser Menschen

wenn der Hund der einzig verlässliche Partner ist

 

Total Liberation Interview 3

– TVG Saar e.V.


Unterstützung und Solidarität für die mutigen Besetzer*innen des Hambacher Forsts

03. Mai 2015 Hambacher Forst
03. Mai 2015 Hambacher Forst

Provokation und übelster "roll back" im saarl. "Tierschutz"

Protestaufruf vor Zoo Neunkirchen 18. Juni 2015

 

nazis und Tierrechte

Transkript des Referats von Colin Goldner
Transkript des Referats von Colin Goldner
Nazis und Tierrechte Broschüre.pdf
Adobe Acrobat Dokument 2.3 MB
36-seitige Broschüre zum Referat
36-seitige Broschüre zum Referat

 

Buchtipp:

Deutsche Erstausgabe 2014
Deutsche Erstausgabe 2014

in eigener Sache

 

Strafanzeige durch "Tierschützer"

 

Sämtliche Vorwürfe gegen Tierversuchsgegner waren frei erfunden

 

 

 

 

Flyer

 

Die soziale Konstruktion des Anderen - zur soziologischen Frage nach dem Tier

(Birgit Mütherich)

 

Einleitung

 

Tiere haben von jeher menschliche Gemeinschaften und Kulturen mitgeprägt, sei es als Götter oder mythologische Mischwesen, als Verkörperung des Guten und Bösen, Verbündete oder Feinde, als Jagdbeute und so genannte „Nutztiere“ oder als konkrete Interaktionspartner. Im Spannungsfeld zwischen dem Eigenen, dem Verwandten und dem Anderen übernehmen sie eine wichtige Funktion zur gesellschaftlichen Produktion symbolischer Ordnungen. Ebenso wie das variable und ambivalente Bild „des Tieres“ wird damit die Bestimmung der Mensch-Tier-Beziehung zu einem Schlüssel bei der Analyse sozialer Deutungssysteme. Im Bereich individueller Interaktionsformen zeigt sich darüber hinaus an Hand der neueren Ergebnisse aus der Ethologie, dass Vertreter diverser tierlicher Spezies nicht nur komplexe innerartliche Sozialstrukturen unterhalten, außerordentliche kognitive Kompetenzen besitzen,

Werkzeuge produzieren und Techniken tradieren, sondern auch als kommunikationsfähige Individuen in dauerhafte soziale Beziehungen mit Menschen eingebunden sind.

Trotz der offenkundigen Fruchtbarkeit des Untersuchungsgegenstandes „Mensch-Tier-Beziehung“ wurde dieser bis heute zwar in zunehmendem Maße von den Geisteswissenschaften, kaum jedoch von den Sozialwissenschaften aufgegriffen. Speziell in der Soziologie haben eine metaphysisch-humanistische Fundierung, die mangelnde Rezeption von Forschungsergebnissen aus Nachbardisziplinen und eine naturalistische Sichtweise nichtmenschlicher Spezies für Berührungsängste und Tabuisierungen gesorgt, die sogar zur Ausblendung ihrer gesellschaftlichen Funktionen und symbolischen Verarbeitungsformen führten. Der vorliegende Text soll sich jedoch nicht auf die an anderer Stelle untersuchte „Blindstellenproblematik“ der Soziologie (1) konzentrieren, sondern das in der westlichen Kultur vorherrschende Tier-Bild im Kontext des menschlichen Selbst-, Gesellschafts- und Weltverständnisses beleuchten und dabei insbesondere auf neue Aspekte zur Rassismus- und Gewaltforschung eingehen.

 

1. „Das Tier“ als antithetisches Konstrukt

 

Das Problem des Tieres bzw. seiner Wahrnehmung beginnt bereits beim Begriff, denn genau besehen ist „das Tier“ eine fiktive Kategorie. Real existieren stattdessen Tausende höchst unterschiedlicher Spezies - vom Spulwurm bis zum Gorilla -, denen im Gegensatz zu pflanzlichen Lebensformen bestimmte Merkmale wie Sinnesorgane, Erbkoordinationen, Gedächtnis, Lernvermögen etc. zugeordnet werden können. Obwohl diese Merkmale ebenso auf Menschen zutreffen und diese gemäß der biologischen Taxonomie unzweifelhaft zur Kategorie der Säugetiere zählen, hat sich kulturell nicht die Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten und Verwandtschaft, sondern die einer ontologischen Kluft durchgesetzt. Während manche Kulturen wie z. B. die altägyptische eine derartige Bezeichnung nicht entwickelten, da sie keine absolute Absetzung zwischen den verschiedenen Lebensformen anstrebten (2), mutierte

der undifferenzierte, mehrdeutige und widersprüchliche Sammelbegriff „Tier“ unter dem machtvollen Einfluss religiöser Interpretationen und ideengeschichtlicher Ansätze in der westlichen Zivilisations-geschichte mehr und mehr zum Gegenbegriff des „Menschen“ (3). Indem „das Tier“ vom Strukturelement einer triadischen Weltpyramide aus „Gott - Mensch - Tier“ in der Neuzeit endgültig zum ganz Anderen, d. h. zum antithetischen Konstrukt des menschlichen Selbstbildes wird, kommt ihm eine wesentliche gesellschaftspolitische Funktion zu: als implizit bleibender Referenzpunkt des westlichen Symbolsystems liefert es eine zentrale Grundlage für hierarchische Wirklichkeitskonstruktionen, Höher- und Minder-wertigkeits-Zuordnungen und Legitimationsschemata für Ausgrenzungs-, Unterdrückungs- und Gewaltformen auch im innerhumanen Bereich.

 

Schon vor einer Betrachtung des Bedeutungskomplexes „Tier“ und seiner Implikationen lässt sich an Hand der Parallelisierung des Mensch-Tier-Dualismus mit anderen traditionell wertbesetzten Gegensatz- paaren wie „Kultur - Natur“, „Geist - Materie“, „Vernunft - Trieb“, „Seele - Körper“, „Moral - Instinkt“ etc. zeigen, dass „der Mensch“ mit den Kategorien des Geistes, der Kultur, der Vernunft, der Seele und der Moral in Beziehung gesetzt wird, während „dem Tier“ die Materie, die Natur, der Trieb, der Körper und der Instinkt zugeordnet werden. In diesen Assoziationsketten realisiert sich offenkundig nicht nur eine ontologische Spaltung, sondern auch ein Mechanismus der Selbstaufwertung und der Abwertung des Anderen, der prinzipiell erweiterbar und übertragbar ist, was an späterer Stelle verdeutlicht werden soll. Verfolgt man den für das westliche Denken charakteristischen binären Schematismus zurück bis zu seinen jüdisch-christlichen und antiken Wurzeln, so treten weitere Dualismen wie „Gott - Satan“, „Gut - Böse“, „Ordnung - Chaos“ hinzu, deren einzelne Begriffselemente nach demselben Grundmuster pa-

rallelisiert werden und - konserviert in sprachlichen Zeichen, Symbolen, Mythen, Ritualen und Normen – im kollektiven Unbewussten und der irreflexiv bleibenden, handlungsleitenden okzidentalen Tiefenkultur verankert sind (4).

 

In den kulturell prägenden Hauptströmungen des westlichen Denkens hat „der Mensch“ als Träger der Definitionsmacht „dem Tier“ die Attribute des „Tierischen“, d. h. des Dumpfen, Triebhaften, Rohen und

Grausamen zugeordnet - Assoziationsfelder, die nach und nach ältere Bedeutungsdimensionen wie „Wildtier“ oder „Belebtes, Beseeltes“ (vonlat. „anima“) zurückdrängten. Die pejorative Konnotation des Bedeutungsfeldes „Tier“ fällt bereits in der Alltagssprache auf, wo der Begriff als Metapher für das moralisch Verwerfliche, Schmutzige, Abartige und Minderwertige dient und daher das Hauptreservoir für Schimpfwörter unterschiedlicher Intensität bildet (von der „dummen Kuh“ bis hin zu Ausrufen der Verachtung wie „Du dreckiger Hund!“, “Du Schwein!“).

Die auf Distanzierung zielende Rhetorik und das erzieherische Potential der Tier-Metapher verdeutlichen Aussagen wie: „Er benahm sich wie ein Tier“, während der schlagzeilenförmige Entsetzensausruf: „Das ist kein Mensch, das ist ein Tier!“ sowohl Kontrollmangel und Brutalität auf Seiten des Tieres als auch die implizite Drohung der Aberkennung fundamentaler Rechte beim Menschen transportiert. Sich zu verhalten „wie ein Tier“ birgt also die Gefahr von Würdeverlust und kann Gewaltanwendung legitimieren. Dass Gewalt im Zusammenhang mit Tieren als rhetorisches Mittel der Abschreckung eingesetzt und inhaltlich als Selbstverständlichkeit betrachtet wird, zeigen auf menschliche Opfer bezogene Aussagen demonstrativer Empörung wie: „Sie erschlugen sie wie die Hunde“, „Man behandelte sie wie Vieh“, „Er wurde abgestochen wie ein Schwein“. Während sich die Kritik zu Recht scharf gegen die brutale Behandlung von Menschen richtet, entfaltet sich in der Formulierung gleichzeitig ein hohes Maß an Affirmation, d. h. derselbe Tatbestand dient in Bezug auf Tiere als Kontrastfolie zur Darstellung von Gewalt als „Normalität“. Hinter der vermeintlichen sprachlichen Distanzierung von der Gewalthandlung als solcher steht die wohl als größere Schande betrachtete „Gleichbehandlung“, und damit die Distanzierung von einem per definitionem minderwertigen Opfer.

 

Die Konstruktion des Tieres als eines wesensmäßig Anderen, als eines Vertreters der zu einer eigenen, abgetrennten Seinssphäre stilisierten „Natur“ fällt, wie schon Schopenhauer früh bemerkte (5), besonders bei der deutschen Sprache auf. Tierliche (6) Individuen werden als Subjekte entindividuali- siert, versachlicht und abgewertet, ihre Verhaltensweisen und Handlungen werden gezielt verfremdet - auch dort, wo sie der Form und Funktion nach identisch mit menschlichen Lebensäußerungen sind:

So bestimmt z. B. die Sprachkonvention, dass Tiere „fressen“ statt zu essen, sie „werfen“ statt zu gebären, sind „trächtig“ statt schwanger und „verenden“ statt zu sterben; sie werden als kopieartig austauschbare „Exemplare“ statt als Individuen bezeichnet, und ihre toten Körper sind, so lange sie nicht zerlegt auf einem Teller präsentiert werden, „Kadaver“ oder „Aas“ statt Leichen.

 

2. Kulturgeschichtliche und herrschaftstheoretische Aspekte des Mensch-Tier-Dualismus

 

Wie aber kam es zu dieser negativen Sonderstellung des Tieres besonders in der westlichen Kultur? Eine der Wurzeln dieses Phänomens scheint in der Verbindung jüdisch-christlicher Glaubensvorstell- ungen mit spezifischen antiken Weltdeutungen und Politikkonzepten zu liegen, die sich als untergrün- diges, tiefenkulturelles Schema auch in der (oberflächlich) säkularisierten Gesellschaft der Neuzeit und Moderne erhalten haben. Das hierauf gründende Paradigma einer zuerst theozentrischen, dann anthropozentrischen und hierarchisch-patriarchalischen Ordnung erwies sich als historisch höchst anpassungsfähige Grundlage und als Instrument der Herrschaftssicherung durch flexible Mechanismen der Ein- und Ausschließung. Aus Platzgründen kann an dieser Stelle leider nur stichwortartig auf diesen Zusammenhang eingegangen werden (7):

Die pejorative Färbung von Tier-Bild und Tier-Status in den Gesellschaften, die kulturell den monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam verbunden sind, verweist zum Einen auf den Ursprung einer patriarchalen Viehzüchterkultur, zum Anderen auf ein spezifisches Gottesbild (8), ein hieran orientiertes Menschenbild, sowie auf eine Zwei-Welten-Lehre, in deren Rahmen sich auch die Vorstellung eines personalen satanischen Antagonisten entwickelt. Durch das religiöse Postulat der menschlichen bzw. männlichen Gottesebenbildlichkeit und den biblischen Herrschaftsauftrag über andere Lebewesen (9) bedarf diese hierarchischdualistische Grundordnung - nicht zuletzt aus erzieher- ischen Gründen - eines Gegenentwurfs zum Menschen und zu seinen aus der Imago Dei-Lehre abgelei- teten, idealisierten Gattungsmerkmalen. „Das Tier“, ursprünglich in der Alltagskultur vorrangig als Brand- opfer und Fleischlieferant betrachtet, bildet als beherrschbares und dem religiösen Gesetz nach zu beherrschendes Wesen die ideale Projektionsfläche für das Böse, Gottferne und Anti-Menschliche. Damit wird „das Tier“ nicht nur zur Inkarnation Satans, zum Verursacher des Sündenfalls im Ursprungsmythos und zum Antichristen der Apokalypse am Ende der Zeiten (10), sondern auch zum politischen Symbol des erstarkenden Christentums in seinem Kampf gegen die alten Tiergottheiten und mächtigen Konkurrenzreligionen der Zeit (11).

 

Der Dualität von Gott und Satan entspricht damit die Konstruktion der Dualität von Mensch und Tier; der unsterblichen Seele des Menschen, seiner Heilsberufung und Teilhabe an der göttlichen Vernunft sowie seiner Willens- bzw. Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse entsprechen ex negativo die abschreckenden Merkmale des Tieres: Seelenlosigkeit, Vernunftmangel, Determiniertheit und Sterblichkeit. Das disziplinierende Moment dieser Konstruktion wird darin deutlich, dass sich beide Prinzipien im (Entwurf des) Menschen mit derselben Asymmetrie und Wertigkeit widerspiegeln. Während der „Bewohner zweier Welten“ jedoch gemäß dem westlichen Zivilisationsprojekt auf das Ideal des seine „innere Natur“ und Körperlichkeit bezwingenden Geist- und Vernunftwesen festgelegt wird, bleibt das Tier-Konstrukt - abgesehen von einigen funktionalen Binnendifferenzierungen wie der zwischen „Nützlingen“ und „Schädlingen“ - im Großen und Ganzen eindimensional: Nicht nur auf Grund der symbolischen Konsistenz, sondern auch auf Grund zunehmender ökonomischer Interessen an der Ausbeutung anderer Spezies und einer damit einher gehenden psychohygienischen Entlastung bei Misshandlungen und Tötungen wird „das Tier“ (trotz seines schon relativ früh bekannten humananalogen Empfindungs- vermögens) ausgedeutet als ein auf Körperlichkeit reduziertes, jede Subjekthaftigkeit entbehrendes Stück „lebende Materie“.

 

Auch für die dominanten, den Herrschaftsinteressen entsprechenden ideengeschichtlichen Konzepte in der Antike, im Mittelalter, der Renaissance und der Aufklärung - bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhun- derts, blieb erkenntnistheoretisch die Suche nach Differenzmerkmalen oder gar antithetischen Konstruktionen zwischen Menschen und Mitgliedern anderer Spezies bestimmend. Dabei ist bedeutsam, dass diese wirkungsmächtigen Theorien - etwa von Aristoteles, Thomas von Aquin oder René Descartes - nicht nur axiologische Hierarchisierungen zwischen den Lebensformen und Dualitätskonstruktionen zwischen Menschen und anderen Spezies, sondern auch durchgehend Ungleichheitsordnungen zwischen den Menschen begründen. Den Gegensatz hierzu bilden in beiden Bereichen liberalere und kultur- oder herrschaftskritische Positionen, wie sie sich in der Neuzeit z. B. bei Michel de Montaigne, dem frühen Vorläufer der Ethnologie und Tierpsychologie, David Hume, Jean-Jacques Rousseau und Jeremy Bentham bis hin zu Leonard Nelson finden.

Auf Grund der Kompatibilität zwischen hierarchischen Politikkonzepten, den realgeschichtlichen Herr- schaftsinteressen der Standes-, später der Klassengesellschaft, und der traditionellen dualistischen Struktur der westlichen Tiefenkultur behielt jedoch die Antithese „des Tieres“ einen zentralen Stellenwert. Ihre Doppelfunktion als elementare Komponente des kulturellen Ordnungsschemas und als Referenz- punkt und Legitimationsbasis politischer Strategien entfaltete sich in einer dauerhaften kollektiven Vorur- teilsbildung, die sich über die Tradierung von Wahrnehmungs-, Klassifikations- und Handlungsmustern in allen gesellschaftlichen Bereichen manifestierte und besonders ab Beginn der Industrialisierung vielfältige Prozesse der Institutionalisierung durchlief.

Der gesellschaftspolitisch entscheidende Grund für die Konstruktion „des Tieres“ als des „ganz Anderen“ dürfte in seiner Funktion als Erziehungs- und Herrschaftsinstrument im Rahmen des europäischen Zivilisationsprozesses liegen. Entsprechend den schon aus der Antike (platonischer Idealismus, Natur- und Politikkonzept bei Aristoteles, Lehre der Stoa) bekannten Entgegensetzungen von Idee vs. Erscheinung,

Geist vs. Natur, Seele vs. Körper, Ordnung vs. Chaos bildeten die Vernunft, die Sittlichkeit und die Selbstbeherrschung die grundlegenden Leitwerte für geordnete hierarchische Staatswesen. Die Idee einer zweckgerichteten Seinsordnung, in der das Unvernünftige zum Nutzen des Vernünftigen gemacht worden sei und von diesem beherrscht werden müsse, wurde am „Tier“ als dem vermeintlich unvernünftigen, naturverhafteten und determinierten Lebewesen vorexerziert und sanktioniert, besaß aber eine weit größere Reichweite:

So wurden auch alle Menschengruppen, denen Vernunftmangel, Triebleitung, fehlende Affektkontrolle, und damit eine unveränderliche, wesensmäßige „Naturnähe“ zugeschrieben werden konnten, als weitgehend rechtlos und als zu beherrschende Subjekte oder gar Objekte betrachtet; dies betraf prinzipiell Kinder, Frauen, Sklaven, „Irre“, Besitzlose und ethnische Gruppen wie Zigeuner, ebenso wie Personen mit normabweichendem Verhalten, z. B. Homosexuelle, und bezog sich potentiell auf Nonkonformisten aller Art, die ihre Unvernunft durch eine Kritik der bestehenden Herr- schaftsverhältnisse bewiesen.

 

Die systematisch durch die idealistische Philosophie seit der Aufklärung - von Kant über Feuerbach, Hegel und (auch) Marx bis zur philosophischen Anthropologie - ausformulierte Idee, dass der Mensch als Gattungswesen den Endzweck einer unaufhaltsam zur Vernunft strebenden Naturgeschichte dar- stelle, lieferte ein neues Argument für die Andersartigkeit und Minderwertigkeit „des Tieres“. Obwohl sich hinter dieser entwicklungsgeschichtlichen Variante des herrschaftslegitimierenden Vernunftprimats die älteren, religiös-metaphysischen Dualismen Geist vs.Natur, Seele vs. Körper, Mensch vs. Tier mit ihrem kulturell charakteristischen Wertgefälle verbergen, erscheint diese Konstruktion auf den ersten Blick dynamischer und offener. Fakt ist allerdings, dass gerade durch die verzeitlichte, teleologische Vor- stellung, nach der das Niedere evolutionär zum Höheren, das Vergängliche zum Unsterblichen, die Na-

tur zum Geist, der Körper zur Seele und „das Tier“ zum Menschen strebt, das Vorgängige oder minder Komplexe als das geschichtlich Überholte verstärkt entwertet wurde (12). Entsprechend dem Glauben an einen linearen Fortschritt und einer auf Vervollkommnung angelegten Stufenordnung der Lebensfor- men fand diese Argumentationsfigur besonders im 19. Jahrhundert ihren realgeschichtlichen Nieder-schlag in der zunehmenden Beherrschung der äußeren Natur, der Unterwerfung fremder, als primitiv geltender Völker und Kulturen und in der immer systematischeren Ausbeutung von Tieren, die als entwicklungsunfähige evolutionäre Vorformen und als ein von der Natur gestiftetes Material für menschliche Zwecke betrachtet wurden.