Es gehört mittlerweile zum gewohnten Erscheinungsbild: In den vorderen Reihen von Demonstrationen der Tierbefreiungsbewegung finden sich zahlreiche dunkel gekleidete Aktivist*innen zusammen und bilden einen durch Transparente abgeschotteten „Schwarzen Block“. So auch in Frankfurt zur diesjährigen Demonstration „Frankfurt Pelzfrei 2011“. Der Aufruf zum „Antispe-Black-Block“ und der Rückblick auf die Aktion (TIERBEFREIUNG 71) geben Anlass, eine Debatte über Aktionsformen auf Großdemonstrationen zu führen.
Demonstrationen und Protestzüge sind ein gesellschaftliches anerkanntes Mittel, um Öffentlichkeit für politische Belange zu schaffen. Die nahe gelegten Handlungsspielräume sind jedoch begrenzt. Repressive Auflagen an Veranstalter*innen reglementieren die Form des Protests teils erheblich. Und der Typus eines einheitlichen Demonstrationszuges durch die Einkaufsstraßen beliebiger Großstädte erschwert es, der Öffentlichkeit politische Positionen zu vermitteln, die über ein „Für die Tiere“ hinausgehen. Daher ist es ein durchaus berechtigtes Anliegen, aus eingefahrenen Abläufen auszubrechen und auch die Organisation von „Schwarzen Blöcken“ in Betracht zu ziehen.
Im folgenden sollen jedoch anhand dreier Thesen die Grenzen des Konzepts „Schwarzer Block“ diskutiert werden. Auch wenn sich im wesentlichen auf Aussagen der „veganen antifa süd“ [1] und das Auftreten des „Antispe-Black-Blocks“ auf der Demonstration „Frankfurt Pelzfrei 2011“ bezogen wird: Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen als solches.
Erste These:
Die Aktions- und Organisationsform „Schwarzer Block“ vermag es nicht,
aus repressiven und eingefahrenen Demoabläufen auszubrechen und
Handlungsräume für selbstbestimmten Protest zu eröffnen.
Die „vegane antifa süd“ argumentiert in verschiedenen Texten, dass sich das insbesondere in der autonomen Linken verbreitete Konzept des „Schwarzen Blocks“ auch für Tierbefreiungsdemos nutzbar machen ließe: Der „Schwarze Block“ scheint im Hinblick auf die Gängelung von Demos durch die Polizei und Justiz attraktiv, da er es – zumindest in der Theorie – ermöglicht, vorgegebene Handlungsbeschränkungen zu überschreiten. Denkbar ist es, mithilfe eines geschlossenen Blocks die Abschirmung von Geschäften durch Polizei zu überwinden, Blockaden vor Geschäftseingängen zu veranstalten oder Räume für illegalisierte Aktionen wie Zivilen Ungehorsam zu eröffnen. Das Tragen von Einheitskleidung und die physische Abgrenzung durch Transparente soll zudem Schutz vor dem Zugriff staatlicher Repressionsbehörden bieten. Schaut man sich die Praxis an, in der „Schwarze Blöcke“ in Aktion treten, lassen sich aber Zweifel anbringen, ob sie tatsächlich das geeignete Mittel sind, um „einen Widerstand, der sich selbst gut organisiert und verteidigen kann“ zu ermöglichen – wie es sich die „vegane antifa süd“ zum Ziel setzte.
Die Demonstration „Frankfurt Pelzfrei“ hat deutlich gemacht, dass der vermeintlich taktische Vorteil der Geschlossenheit sich in sein Gegenteil zu verkehren droht. Das nach außen geschlossene Auftreten machte es der Polizei einfach, den „herrschaftskritischen Block“ unter Kontrolle zu halten. Hierfür reichte es, die Polizeiketten vor absehbaren Protestzielen wie MaxMara oder Pelz Türpitz zu verstärken. Die Begleitung des Blocks im Spalier verunmöglichte zudem spontane Aktionen. Entgegen der allzu euphorischen Einschätzung, dass man sich „trotz der Einschüchterungsversuche nicht stoppen ließe“ und „eine kämpferische und entschlossene Demo hinlegte“, muss gesagt werden, dass sich der „herrschaftskritische Block“ jederzeit in kontrollierten Räumen bewegte.
Der Verweis darauf, dass es „der Polizei nicht gelang, Demonstrationsteilnehmer_Innen rauszuziehen oder die Transpis zu entfernen“ kann ebenfalls nicht als Erfolg verbucht werden. Vielmehr sollte man sich davor hüten, die Durchsetzung eines geschlossenen Demoblocks bereits als erfolgreichen Widerstandsakt zu betrachten. Die Gefahr einer solchen Einschätzung läge darin, dass die Organisation eines „Schwarzen Blocks“ zum bloßen Selbstzweck verkommt und dass die eigentlichen praktischen Ziele, die man hiermit erreichen wollte, in den Hintergrund geraten. [2]
Es handelt sich also um eine klassische paradoxe Situation: Der Versuch, den Einschränkungen durch die Polizei durch Geschlossenheit zu begegnen, öffnet den Kontrollversuchen erst Tür und Tor, indem der Polizei die Weite des Raums überlassen wird. Bezeichnenderweise wurde ein Moment der Unkontrollierbarkeit bei der „Frankfurt Pelzfrei“ eher Kleingruppen zuteil, die sich immer wieder aus dem Demozug entfernten und damit vor abgesperrte Geschäfte gelangen konnten, um diese direkt mit Protest zu konfrontieren. Es wäre zu diskutieren, ob sich diese Praxis verallgemeinern ließe. Also ob Beweglichkeit und Spontaneität nicht genutzt werden können, um sich verloren gegangene Handlungsräume wieder anzueignen. Denkbar wäre es, Demonstrationen als Ausgangspunkt für das Agieren in Kleingruppen zu nehmen, bspw. um Polizeiabsperrungen zu „umfließen“, um über Theateraktionen in Kommunikation mit Passant*innen zu treten oder um Seitenstraßen zu plakatieren. [3]
Zweite These:
Der „Schwarze Block“ stellt weder ein Mittel politischer Positionierung dar,
noch ist er ein Garant gegen Vereinnahmung durch
anti-emanzipatorische Gruppierungen.
Die Organisation des „Schwarzen Blocks“ sollte aber nicht nur „eigene Aktionen ermöglichen“, sondern auch dazu beitragen, „sich politisch zu positionieren“. Vergegenwärtigt man sich den Aufruf zum „Antispe-Action-Day“ gehe es darum, den Kapitalismus als ein System zu kritisieren, „welches immer mehr produzieren muss, um selbst bestehen zu können, ganz gleich welche katastrophalen Folgen dies für Erde, Mensch und Tier auch haben mag“. Weiterhin sei es notwendig, sich gegen die Vereinnahmung durch Neonazis zur Wehr zu setzen. Die im Aufruf angeführten Parolen („Fight the system“, „Gegen Pelzhandel, Ausbeutung und Herrschaft“) können zudem als Hinweis verstanden werden, dass der „Antispe-Black-Block“ als Teil einer radikal linken politischen Praxis gesehen wird, dessen Ziel es ist, eine Kritik an der Ausbeutung von Tieren in Zusammenhang mit weiteren Herrschaftsverhältnissen zu formulieren.
Wie sich die „vegane antifa süd“ eine Vermittlung entsprechender politischer Positionen vorstellt, wird im Rückblick auf den „Antispe-Actionday“ deutlich. Neben dem Mitführen von Antifa-Fahnen wird auf eine Reihe von Demosprüchen verwiesen, die den Passant*innen klar gemacht hätten, „dass die Tierausbeutungsindustrie nicht unhinterfragt ist und es viele Menschen gibt, die bereit sind, sich dem radikal entgegenzustellen. Von weiteren Aktivitäten, die der Öffentlichkeit grundlegende Überlegungen der „radikalen Antispes“ näherbringen sollten, ist jedoch nicht die Rede. So bleibt es auch fraglich, ob sich den Außenstehenden die politischen Perspektiven, die hinter den notwendigerweise vereinfachten Parolen und Symboliken stehen, überhaupt erschließen. Und die Unterscheidungsmerkmale zwischen dem „herrschaftskritischen Block“ und den vermeintlich bürgerlichen Demonstrant*innen bleiben damit allen voran symbolischer Natur.
Die Verwendung vermeintlich radikaler Symboliken und Schlachtrufe stellt jedoch noch keine Basis für eine Politik dar, die es mit dem Umsturz herrschender Verhältnisse ernst meint. Sie mögen im ersten Moment radikal und subversiv wirken. Ein Blick in die Geschichte jedoch genügt, um festzustellen: Der Kapitalismus vermag es, jedes noch so aufrührerische Symbol und jede noch so kritisch gemeinte Parole in die Warenwelt zu integrieren. Um es böse auszudrücken: Der Slogan „Für die vegane Revolution“ könnte auch die Verpackung eines neuartigen veganen Produkts zieren, ohne dass die Verwertungsgewalt des Kapitalismus damit gebrochen wäre. Spezifische Parolen und Symbole erklären sich schlichtweg noch nicht von selbst. Um die zugrundeliegenden Überlegungen einer Öffentlichkeit verständlich zu machen, bedarf es noch weitergehender Vermittlungsversuche.
Bezweifelt werden darf auch die Einschätzung, dass durch Antifa-Fahnen oder Demosprüche wie „A-, Anti-, Anticapitalista“ „jede Vereinnahmung durch Nazis verunmöglicht“ wurde, wie es im Rückblick niedergeschrieben steht. Erfahrungen vergangener Demonstrationen – etwa der Berliner „Animal Liberation-Demo“ im November 2008 – zeigen, dass sich Neonazis nicht (notwendigerweise) durch mitgeführte Antifa-Fahnen oder in Redebeiträgen vermittelte antifaschistische Stellungnahmen von Instrumentalisierungsversuchen abhalten lassen. [4] Das Phänomen der „autonomen Nationalisten“ macht darüber hinaus deutlich, dass Neonazis das geringste Problem darin sehen, sich die gesamte Antifa-Symbolik mitsamt ihrer Demosprüche, ihrer Outfits oder ihrer Aktionsformen anzueignen. Der Einschätzung, die Demo sei „ein klares Signal, dass die Antispe-Bewegung fähig ist sich politisch zu positionieren, und eben nicht von Nazis oder anderen anti-emanzipatorischen Gruppen oder menschfeindlichem Gedankengut vereinnahmt werden kann“ sollte an dieser Stelle widersprochen werden, da als Hinweis für eine „politische Positionierung“ ausschließlich vermeintlich radikale Symboliken, Demosprüche und Transpiparolen herangezogen wurden.
Demgegenüber gibt es sehr wohl Möglichkeiten, auf Demonstrationen weiterführende Perspektiven zu verdeutlichen. So bietet das Auswertungs- und Diskussionspapier zur Demonstration gegen Tierversuche am 30.04.2011 in Hamburg (TIERBEFREIUNG 71) einen Überblick, wie eigene politische Forderungen jenseits von Symbolpolitik vermittelt werden können. [5] Die Problematik der Vereinnahmung durch Neonazis oder andere reaktionäre Gruppierungen verweist eher auf eine Leerstelle von Theorie und Praxis von Teilen der Tierbefreiungsbewegung, der jedoch nicht durch die Übernahme von Antifa-Symboliken allein beizukommen ist. Statt sich auf eine symbolische Distanzierung auf zentralen Szeneevents zu beschränken, sollten Tierbefreiungsgruppen durch ihre alltägliche Arbeit ein Profil entwickeln, dass es anti-emanzipatorischen Gruppen schwer macht, in der Tierbefreiungsbewegung etwas anderes zu erkennen als ihren politischen Gegner.6 Konkret wären kontinuierlich arbeitende Strukturen aufgefordert, eine Theorie der Befreiung der Tiere zu begründen, die über einen „Hauptsache für die Tiere Anspruch“ hinausweist. Sie würden zudem vor der Aufgabe stehen, eine politische Praxis zu finden, die es – etwa mithilfe praktischer Bündnisarbeit – vermag, sich gegen gesellschaftliche Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnisse als solche zu richten.
Dritte These:
Die Überhöhung des „Schwarzen Blocks“ als bedeutendste Form radikaler
politischer Praxis verweist auf einen Mangel an theoretischer Erkenntnis
über die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Handlungsmöglichkeiten
politischer Bewegungen.
Der „Schwarze Block“ selbst ist in gewisser Weise konzeptionell auf Demonstrationen verwiesen. Auch wenn er den Versuch einer Erweiterung von Handlungsräumen darstellt, im Grundsatz bleibt er den Möglichkeiten und Grenzen der Aktionsform „Demonstration“ unterworfen. Daher muss auch reflektiert werden, welche Bedeutung dieser Form des Protests beigemessen wird.
Demos vermögen es, eine Öffentlichkeit für die politischen Belange der Tierbefreiungsbewegung zu schaffen. Es besteht die Möglichkeit, den Menschen die Beweggründe des Engagements für die Befreiung der Tiere zu verdeutlichen und spezifischen Adressaten wie Unternehmen oder Institutionen eine gewisse Entschlossenheit zu signalisieren. Prinzipiell können sie Teil gesellschaftlicher Veränderung werden, wenn Menschen und andere gesellschaftliche Akteure sich die vermittelten Begründungszusammenhänge der Tierbefreier*innen vergegenwärtigen und ihr Handeln hiernach ausrichten. Nur ist es eine idealistische Vorstellung zu glauben, dass es ausschließlich Demonstrationen bedarf, um – bildlich gesprochen – die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Aussagen der „veganen antifa süd“ wie: „Es muss wenigstens eine Aktionsform geben, die auch radikalen Protest zulässt und fördert und dies sind nun einmal die großen Demonstrationen“ legen genau diesen Schluss nahe.
Zwar wurden politische Bewegungen immer auch von Massenprotesten begleitet. Eine gesellschaftliche Macht als ernstzunehmender politischer Akteur erlangten diese in der Vergangenheit aber immer erst dann, wenn sie sich einerseits durch eine Vielzahl von Protestformen auszeichneten und anderseits vermochten, die materielle Basis von Ausbeutung und Herrschaft zu untergraben.7 Auch die Tierbefreiungsbewegung hat es in der Vergangenheit vermocht, punktuell eine Gegenmacht zu entwickeln. Kampagnen gegen die Pelz- oder die Tierversuchsindustrie konnten dann Erfolge erzielen, wenn sie sich nicht nur auf moralische Appelle beschränkten, sondern die ökonomischen Bedingungen der Nutzung und Ausbeutung von Tieren in ihren Fokus nahmen, z.B. über regelmäßige Proteste vor Filialen von Konzernen, Druck auf Zulieferer und vielfältige andere Eingriffe in Unternehmensabläufe. Ähnlich ist es um die Proteste gegen den Schlachtbetrieb in Wietze bestellt. Mittels des Engagements von Bürger*innen-Initiativen, Besetzungen und direkten Aktionen konnte der Aufbau der für den wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Anzahl von Mastanlagen verhindert werden. Es ist daher nicht mehr als eine rhetorische Frage, ob Großdemonstrationen allein – unabhängig ob sie von einem Schwarzen Block angeführt werden oder nicht – den gleichen Effekt erreichen könnten.
Im Zusammenspiel verschiedener Aktionsformen können Demonstrationen und auch Aktionen, die sich auf das Konzept des „Schwarzes Blocks“ beziehen, eine wichtige Rolle
spielen. Es spricht aber vieles dagegen, die Organisation von „Schwarzen Blöcken“ zur bedeutendsten Form radikaler politischer Praxis zu überhöhen. Wie eine tatsächlich radikale Intervention in
die gesellschaftlichen Verhältnisse aussehen kann, muss letztendlich Gegenstand von Diskussionen innerhalb der Tierbefreiungsbewegung sein. Sicher scheint, dass der Aufbau überdauernder
schlagfähiger Organisationsstrukturen, eine Zusammenarbeit mit anderen politischen Bewegungen oder aber konfrontative Kampagnen gegen die Profiteure der Nutzung und Ausbeutung von Tieren
erfolgversprechender sind, als die gelegentliche Inszenierung von Radikalität auf Großdemonstrationen. [8]
Ausblick
Diese Einschätzungen zu den Möglichkeiten und Grenzen, die der „Schwarze Block“ für Proteste im Rahmen von Demonstrationen bietet, mögen ernüchternd wirken. Sie sind
jedoch keine Begründung dafür, auf die Suche nach Handlungsräumen selbstbestimmten Protests zu verzichten. Sie sind ebenfalls kein Hinweis darauf, dass eine politische Praxis utopisch ist, die
die Ausbeutung von Tieren in ihrem gesellschaftlichen Konstitutionszusammenhang sieht und entsprechend auf gesamtgesellschaftliche Veränderung zielt. Dem Konzept „Schwarzer Block“ mag
geschichtlich ein Moment der Selbstermächtigung von politischen Bewegungen zugekommen sein, es mag Schutz vor Repression geboten haben und es mag Teil einer radikal linken politischen Praxis
gewesen sein. Gegenwärtig versetzt der „Schwarze Block“ jedoch kaum noch jemanden in Angst und Schrecken. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hat die Polizei das Phänomen „Schwarzer Block“
größtenteils unter Kontrolle gebracht. Auch die öffentliche Wahrnehmung von Protesten hat sich verschoben, sodass kaum jemand vermummte Demonstrant*innen noch mit irgendwelchen politischen
Forderungen in Verbindung bringt. Die Großdemonstrationen selbst gehören mittlerweile zum gewohnten Begleitbild von Angriffskriegen und Sozialkürzungen. Sie können von Verantwortungsträgern in
Politik und Wirtschaft geflissentlich ignoriert werden, wenn die öffentlich artikulierte Empörung nicht in verstärkten Organisierungsprozessen mündet.
Wenn sich also mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auch die Bedingungen für einen wirkmächtigen politischen Protest verändern, ist es Aufgabe der Tierbefreiungsbewegung, sich diese Prozesse zu vergegenwärtigen, um angemessene Formen der Intervention zu finden. Ein stückweit Theoriearbeit ist hierfür unumgänglich. Jedoch nicht aus reinem Selbstzweck, nicht um Aufrufe und Texte mit hübschen Zitaten aufzupeppen. Sondern um sich aus Erkenntnissen über die Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen Handlungsräume zu erschließen. Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, neue Strategien und alternative Aktionskonzepte auszuprobieren und niemandem ist ein Vorwurf zu machen, dass diese an der gesellschaftlichen Realität scheitern mögen. Nur sind die gemachten Erfahrungen Reflexionsprozessen innerhalb der Bewegung zugänglich zu machen, um nicht dieselben Fehler immer zu wiederholen und sich auch im Hinblick auf Protest- und Aktionsformen weiterzuentwickeln.
Konrad Eckstein
1. Bezogen wird sich hier auf den Aufruf zum „Antispe-Black-Block“ und das Interview „Warum Antispe-Black-Block“ (beide abrufbar über http://veganeantifa.blogsport.de) sowie den „Rückblick auf den Antispe-Actionday“ (siehe TIERBEFREIUNG 71).
2. Möglichkeiten und Grenzen des „Schwarzen Blocks“ sind in der radikalen Linken nicht unumstritten: So heißt es in dem Diskussionspapier „Out of Control – Demonstrationskultur in der Weite des Raums“ (2007): „Manche vermeintlich erfolgreiche Demo, weil eingeseilt und mit Transparenten wie von Gartenzäunen umgeben, hat durch ihre introvertierte Form wohl mehr an einen mobilen Schrebergarten voller wütender aber hilfloser Zwerge, als an radikalen Protest erinnert.“ Diese und andere Problematisierungen werden im Text zum Ausgangspunkt für die Diskussion neuer Aktionskonzepte genommen, siehe: http://gipfelsoli.org/Texte/Militanz/4433.html.
3. Anregungen können bieten: Das zuvor genannte Diskussionspapier „Out of Control“, das von Marc Amann herausgegebene Buch „go.stop.act“ (http://www.go-stop-act.de), „die Theorie des Schwärmens“ (http://jumpandrun.blogsport.de) oder das Konzept zur 10. Tierbefreiungs-Norddemo (http://norddemo.blogsport.de/konzept).
4. Im Vorfeld der Demo wurden Aufrufe für die Demonstration von Neonazis auf deren Websites veröffentlicht. Während der Auftaktkundgebung wurde den Instrumentalisierungsversuchen daher eine klare Absage erteilt. Darüber hinaus wurde sich in Redebeiträgen mit einer zeitgleich, ebenfalls in Berlin stattfindenen Antifa-Demo solidarisiert. Dennoch reihten sich drei Neonazis in den Demozug, in dem auch mehrere Antifa-Fahnen mitgeführt wurden, ein. Nach wenigen Metern wurden sie jedoch aus der Demo verwiesen. Hintergründe und eine Stellungnahme der Demo-Orga finden sich im Offenen Brief „Rechte für Tiere? - Nicht mit uns!“, abrufbar auf der Homepage der Berliner-Tierbefreiungs-Aktion (BerTA): http://berta-online.org/?page_id=58.
5. Möglichkeiten sehen die Autor*innen im Betreiben von Infoständen, dem Verteilen von Flugblättern, dem Verlesen von Redebeiträgen oder der Organisation von Diskussionsveranstaltungen im Umfeld von Aktionstagen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch in Hamburg zu einem eigenen Block aufgerufen wurde, der sich auch optisch von anderen Teilen der Demo unterscheiden sollte. Nach Aussagen der Organisator*innen des Tierbefreiungsblocks wurde sich aber „bewusst dagegen entschieden, einen (autonomen) „Black Block“ zu bilden.“ Maßgabe der Unterscheidung sollten die Inhalte der Demoschilder, Transparente und der verteilten Flugblätter sein, nicht „die Wahl der Kleidung, selbstreferentielles Verhalten oder die Verbalradikalität der gerufenen Parolen“. (Vgl. TIERBEFREIUNG 71, S.14ff)
6. Inwieweit die gegenwärtige Praxis von Tierschützer_innen aber von auch Teilen der Tierbefreiungsbewegung dazu beiträgt, anti-emanzipatorischen Gruppierungen Raum für die Anerkennung und Verbreitung ihrer Ideologien zu verhelfen, wird in Emil Franzinellis Beitrag „Hauptsache für die Tiere?“ in der TIERBEFREIUNG 67 deutlich.
7. Entgegen der massenmedial aufbereiteten Narrative, dass die Revolutionen in den arabischen Ländern ihren Ausgangspunkt in Massendemonstrationen für politische Freiheitsrechte nahmen, muss gesagt werden, dass sie eher einen Kumulationspunkt lang-anhaltender Proteste darstellten. In Ägypten wurden die Auseinandersetzungen, die sich bereits seit 2008 verschärften, maßgeblich durch Streikbewegungen von Fabrikarbeiter*innen getragen. Und auch in Tunesien hatte sich bereits vor dem Sturz Ben Alis eine Jugend- und Sozialprotestbewegung etabliert, die über Streiks, Demonstrationen und Besetzungen eine nicht mehr zu ignorierende Kraft entwickelte. Siehe hierzu: Katharina Lenner: „Bilder einer Revolution“ in Analyse & Kritik 02/2011, S.4f. und Bernhard Schmid: „Rebellion mit Ausstrahlung“ in Analyse & Kritik 01/2011, S.18.
8. Selbstverständlich stellt auch das Prinzip der Kampagnenarbeit keine zu verabsolutierende Praxis dar, sondern ist im Hinblick auf Möglichkeiten, Widersprüche und Grenzen zu hinterfragen, zu verändern und gegebenenfalls durch andere Strategien zu ersetzen. Hierzu der Artikel: „Zwischen Erfolgs- und Repressionswellen – Perspektiven der Kampagnenarbeit für die Tierbefreiungsbewegung“. Veröffentlicht als Teil des Readers „Liberation Days. Texte zur Reflexion über Repression und Tierbefreiung“, herausgegeben von der Basisgruppe Tierrechte (BAT).