Besucherzaehler

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Tierethik - Der Comic zur Debatte

Einen ganz herzlichen Dank an das Veganbrunchteam Saarlouis für die großzügige Spende von 250,oo € für unseren Lebenshof!

Paula ist wieder da!

Paula, die kleine Großstadttaube

der beliebte Comic "zum Nachdenken" für groß und klein (in 4 Farben)

Skript zum Vortrag

 

„Geschlechterbedingte Ungleichheit und der Versuch, fair miteinander umzugehen“

 

der am 13.03.2016 beim Veganbrunch Saarbrücken gehalten wurde

Hunde wohnungsloser Menschen

wenn der Hund der einzig verlässliche Partner ist

 

Total Liberation Interview 3

– TVG Saar e.V.


Unterstützung und Solidarität für die mutigen Besetzer*innen des Hambacher Forsts

03. Mai 2015 Hambacher Forst
03. Mai 2015 Hambacher Forst

Provokation und übelster "roll back" im saarl. "Tierschutz"

Protestaufruf vor Zoo Neunkirchen 18. Juni 2015

 

nazis und Tierrechte

Transkript des Referats von Colin Goldner
Transkript des Referats von Colin Goldner
Nazis und Tierrechte Broschüre.pdf
Adobe Acrobat Dokument 2.3 MB
36-seitige Broschüre zum Referat
36-seitige Broschüre zum Referat

 

Buchtipp:

Deutsche Erstausgabe 2014
Deutsche Erstausgabe 2014

in eigener Sache

 

Strafanzeige durch "Tierschützer"

 

Sämtliche Vorwürfe gegen Tierversuchsgegner waren frei erfunden

 

 

 

 

Flyer

 

Antispeziesistisches Plädoyer für die Befreiung des Menschen

Eine Auseinandersetzung mit linkem Anti-Antispeziesismus

Gelegentlich wird Tierbefreier_innen von vermeintlich links eingestellten Menschen vorgehalten, die antispeziesistische Position sei ideologisch, menschenverachtend und gefährlich – und jedenfalls „aus linker Perspektive völlig inakzeptabel“. Manchmal ist die Kritik am Antispeziesismus leider nicht einmal die Bezeichnung „Kritik“ wert, wenn nämlich den Kritiker_innen weder die antispeziesistische Argumentation und Motivation bekannt sind, noch ein wirkliches Interesse daran besteht, sich auf sie einzulassen. Doch auch dann ist es erforderlich, auf die bestehenden Ängste und Intuitionen einzugehen. Folgendes Plädoyer soll aufzeigen, dass emanzipatorisch eingestellten Menschen daran gelegen sein sollte, sich für die Befreiung der Tiere und für Tierrechte einzusetzen – auch im eigenen Interesse.

 

Seminar mit Julia Seeliger


Ende Januar gab es in Braunschweig ein Basisseminar der Grünen Jugend Niedersachsen zum Thema „Tierrechte“. Dort sollte unter anderem kontrovers über das Pro und Kontra der antispeziesistischen Argumentation diskutiert werden. Die Kontra-Position nahm Julia Seeliger ein, die einigen bekannt ist, weil sie für die taz online schreibt und eine Zeit lang im Parteirat der Grünen war. Bekannt ist sie manchen auch, weil sie sich 2008 gegen den Antispe-Kongress in Hannover eingesetzt und zu ihrer ablehnenden Haltung etwas geschrieben hat.1 Als ihre Position lässt sich ausmachen: Tierrechtler_innen müssten über Mensch-Tier-Vergleiche und -Gleichsetzungen notwendig auch den Holocaust vergleichen2, könnten sich nicht von Peter Singers Ansatz lösen (dementsprechend nur Personen Quasi-Rechte hätten), und „der Mensch“ würde auf die Ebene „des Tiers“ heruntergesetzt (und dementsprechend behandelt), wenn man von „nicht-menschlichen Tieren“ spräche und „Menschen“ mit „Tieren“ vergliche.

In meiner Präsentation ging ich entsprechend auf ihre Position ein. Mit der Vorstellung, dass sie es schaffen könnte, einige ihrer Missverständnisse aufzugeben. Zusätzlich brachte ich für das Seminar ausgewählte Bücher3 mit. Leider nutzte Seeliger nicht die Gelegenheit, in die Bücher reinzuschnuppern, obwohl ich sie einzeln vorstellte. Dass ich auf ihre drei Punkte einging und entsprechende Bücher mitgebracht hatte, sah sie als Bestätigung dafür, dass Tierrechtler_innen sich tatsächlich nicht von dem ein oder anderen lösen könnten, so sehr sie auch vorgäben, sich davon zu distanzieren. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie grundsätzlich bereit war, ihre Meinung zugunsten einer rationaleren und fundierteren zu ändern. Oder auch nur das ein oder andere Missverständnis oder Konstrukt aufzugeben. Vielleicht hat sie sich da bereits zu sehr verrannt. Das Seminar hätte auch wesentlich besser sein können, wenn sie sich vorher etwas mehr mit der Materie auseinandergesetzt hätte, um die Kontra-Haltung besser einnehmen zu können, anstatt lediglich mit wertenden Kommentaren ihre persönlichen Intuitionen stark zu machen.

 

»Das Konstrukt von „dem Tier“ als „dem Anderen“, das minderwertig sei, soll aufgebrochen werden. «

 

Zu Peter Singer


Zu Peter Singer sei vor allem gesagt: Er ist kein Tierrechtler. Jedenfalls kein „egalitärer“, er fordert zum Beispiel kein Lebensrecht für Hühner etc., da sie nicht den Geist einer Person haben, was aber für die Zuschreibung eines Lebensrechts notwendig wäre. Damit ist seine Theorie hinfällig für die Tierrechtsbewegung. Viele Tierrechtler_innen kennen ihn zudem nicht oder können seine Position nicht einmal von zum Beispiel der Tom Regans unterscheiden.

Was Singer einbrachte und damit die Bewegung einleitete: vor allem das Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Interessen. Völlig gleich, welches Wesen Interessen hat, sollen diese gleich berücksichtigt werden. Singer griff auch Richard Ryders Analyse der Diskriminierung aufgrund der Spezieszugehörigkeit auf und machte sie bekannt. Seine Verdienste müssen von seiner Theorie getrennt werden. Doch wie sieht es mit dieser aus? Singer ist Utilitarist und lehnt den Rechte-Ansatz als metaphysisch (also ohne sich auf real bestehende Tatsachen berufen zu können) ab. Präferenzen hingegen seien empirisch existent und direkt moralisch relevant. Für moralisch angemessenes Handeln müssten die bestehenden und betroffenen Präferenzen gegeneinander abgewogen werden. Dazu könne man auf der intuitiven Ebene des kritischen Denkens durchaus auch Quasi-Rechte bestimmen. Wie steht es nun bei Menschen, die keine Vorstellung von und somit keine Präferenz für das Fortbestehen ihres Lebens haben? Darf man die töten, wenn es der Gesellschaft von (größerem) Nutzen ist? Der Professor der Elite-Universität Princeton ist kein „Euthanasie“-Befürworter, sondern ein Euthanasie-Befürworter. Das muss man unterscheiden, wir fallen doch auch bei anderen Nazi-Begriffen 65 Jahre nach ihrem Sturz nicht mehr auf deren Propaganda herein. Ersteres war Mord entgegen der Interessen und dem Willen der Betroffenen, allein mit Blick auf eine „Volkshygiene“ und den ökonomischen Wert für die Nazi-Gesellschaft. Letzteres hat damit nichts gemein. Hier geht es darum, den humanistischen Intuitionen einer postchristlichen Gesellschaft gerecht zu werden und sich bislang tabuisierten, aber auch sich neu ergebenden Fragen der Ethik zu stellen.4 Der medizinische Fortschritt vermag es zwar häufig, Menschen am Leben zu erhalten. In manchen dieser Fälle vermag er es jedoch nicht, ihnen auch die minimale Lebensqualität zu ermöglichen, die sie individuell für sich beanspruchen.5 Wenn das Leben für einen betroffenen Menschen, also aus dessen Perspektive heraus, offensichtlich nicht lebenswert (also überwiegend qualvoll und ohne Perspektive auf eine steigende Lebensqualität) ist und dieser Mensch selbst keine Einwände gegen seine Tötung hat, dann sollte die gesetzliche Möglichkeit bestehen, dieses Leben schmerzfrei zu beenden, so Singer. Bei schwerstbeeinträchtigten Säuglingen mit geringer (Über-)Lebenserwartung sollten die Eltern in Absprache mit Ärzten über diese Frage entscheiden können. Zu der Zeit dieses Tabubruchs durch Singer bestanden in der Medizin die Praxen des unkontrollierten Sterbenlassens und der qualvollen Lebensverlängerung um wenige Jahre auf Kosten des Individuums.

Dies soll kein Plädoyer für Singers Theorie sein. Es bleibt genug zu kritisieren. Zur Person Peter Singer sei aber festgehalten: Er ist nicht der böse Mensch, als der er von seinen Kritiker_innen konstruiert wurde. Er hat die Tierbefreiungsbewegung durch die Aushebelung der moralischen Sonderstellung des Menschen eingeleitet und die Interessen und das Wohlergehen als moralisch relevant herausgestellt. Für die Tierrechtsbewegung ist seine Theorie im engen Sinne jedoch unbrauchbar, da er kein Tierrechtler ist.

 

»Es findet ein Schulterschluss von Faschisten, Konservativen, Links-Liberalen bis hin zur radikalen Linken statt.«


Zur Herabsetzung von Menschen


Seeliger hatte während ihrer Präsentation den Anfang des Films Earthlings gezeigt und durchgehend (ab)wertend kommentiert. Zu sehen waren wechselnde Bilder, die mal die Unterdrückung von Menschen, mal die Unterdrückung von Tieren zeigten. Nicht sonderlich überraschend, der Titel „Earthlings“ besagt ja bereits, dass wir Menschen uns als Wesen begreifen sollten, die wie andere Bewohner der Erde mit einem Wohlergehen Erdlinge sind. Er besagt, dass es eine moralisch relevante und zu Gleichen machende Gemeinsamkeit gebe: die Empfindungsfähigkeit. Seeligers Problem ist genau dies: die aufgehobene Abgrenzung des Menschen von Tieren. Dazu argumentiert sie mehrgleisig. Auf der einen Seite konstruiert sie „den Menschen“ und „das Tier“ als Kategorien (Schubladen), die begrifflich voneinander strikt zu trennen sind (allerdings weniger strategisch als intuitiv, glaube ich). „Der Mensch“ sei mehr als nur ein biologisches Wesen, er sei ein „Kulturwesen mit Vernunft“. Auf meine Entgegenhaltung, dass es einzelne Menschen gebe, die nicht, noch nicht oder nicht mehr „kultur“fähig seien (Neugeborene, manche geistig Schwerstbeeinträchtigte, manche Demenzkranke), warf sie mir schlicht Behindertenfeindlichkeit vor. Und das, obwohl ich zuvor erklärt hatte, dass ich mit geistig beeinträchtigten Menschen arbeite und mich besonders für Behindertenrechte einsetze. In ihr Konstrukt vom „Menschen“ passt nicht die Vorstellung, dass es auch Menschen gibt, die eben keine „Kulturwesen mit Vernunft“ sind.

Sie will an diesem Kriterium festhalten, somit kommen wir zum zweiten Gleis. Sie hat offenbar Angst, dass Menschen mit dem Verlust ihrer moralischen Sonderstellung abgewertet werden könnten. Dass sie ihre „Menschenwürde“ verlieren und nun ebenfalls (wie „die Tiere“) rechtelos und zu Opfern von Güterabwägungen würden. Wenn Menschen zu (menschlichen) Tieren erklärt werden, brächte das mit sich, dass Menschen folglich auch „wie Tiere“ behandelt werden sollten oder zumindest könnten. So wie damals bei den Nazis. Die hätten mit ihrer Tierschutzpolitik übrigens auch in einem Zuge Tiere auf- und Menschen abgewertet. Natürlich müssen gewisse Ängste als solche ernst genommen werden. Manche befürchten, dass bei der Auflösung des Gegensatzes „Mensch“/„Tier“ (die Rede ist auch vom Dualismus „Mensch und Natur“) Menschen (wieder) der Naturwelt zugeschrieben und zum „Tier“ erniedrigt würden. Die Rechtsansprüche würden sich, so die Befürchtung, vom Menschen weg und zur Natur hin verlagern. Doch nicht-menschliche Tiere sind ja auch nicht einfach „Natur“ (mit all den Bestimmungen, die in diesen Begriff gesteckt werden). Zum anderen soll eben dieser Dualismus, dieses Konstrukt „Tier“ als Gegenpol von Rechtssubjekten, ja gerade zerschlagen werden. Wir müssen Tiere als Individuen – und zwar als empfindungsfähige Individuen mit einem Wohlergehen – anerkennen und ihnen Rechte einräumen. Mit „dem Tier“ soll nebenbei übrigens auch „der Mensch“ befreit werden.6

Seeligers Vorstellung von „dem Tier“ ist nicht gerade mit Respekt „ihm“ gegenüber geprägt. In ihrem Begriff von „dem Tier“ steckt ja scheinbar „Wesen, das vom Menschen verschieden ist, keine Rechte hat, vom Menschen für dessen Zwecke genutzt werden darf“. Anstatt ihre internalisierten Ansichten (Normen, Werte und Konstrukte, die in einer unkritischen Phase des Lebens von Gesellschaft und Elternhaus übernommen werden) kritisch zu hinterfragen, präsentiert sie diese, ohne sie ausreichend stark machen und gegen Einwände verteidigen zu können. So findet sie es (mit Blick auf den Menschen) in Ordnung, wenn Tiere ausgebeutet und getötet werden, ohne jedoch auf die antispeziesistische Kritik eingehen zu können, was sie wie eine willkürlich diskriminierende Person dastehen lässt.

Wollen Antispeziesist_innen nun, dass auch Menschen wieder (wie bei den Nazis) mit diesem „das Tier“-Konstrukt gleichgesetzt werden? Hier gilt es, einen wichtigen Zusammenhang zu verstehen. Erstens sollen weder Menschen, noch Tiere rechtelos behandelt beziehungsweise beherrscht werden. Eine Gesellschaft, die aus emanzipatorischen Gründen Menschen und Tiere gleichstellt, verkommt eben nicht zu einer, in der es nur noch Güterabwägungen und keine subjektiven Rechte mehr gibt. Eine Gesellschaft ohne Tierausbeutung und mit Tierrechten führt sich selbst auch nicht ins Absurde, indem sie sich jede freie Handlung verbietet, die nicht-menschliche Tiere beeinträchtigen könnte. Es sind zunächst grobe Negativ-, also Unterlassungspflichten, die eingehalten werden müssten. Abwehrrechte und Freiheitsrechte hätten vielleicht einen Vorrang vor Anspruchsrechten. Und erst dann, wenn Rechte miteinander kollidieren, muss abgewogen werden.7

Zweitens soll gerade dieses Konstrukt von „dem Tier“ als „dem Anderen“, das minderwertig sei, aufgebrochen werden. So wie zuvor „die Frau“ und „der Schwarze“ neu besetzt wurden und niemand bei der Forderung einer Gleichbehandlung argumentiert hätte: „Da will uns jemand (wie diese) knechten!“, ist dieser Vorwurf auch beim Antispeziesismus hinfällig. Ist es nicht viel nahe liegender, dass mit dem Wegfall der moralisch relevanten Verschiedenheit auch die anderen beiden Teile des Konstrukts „Tier“ (Rechtelosigkeit und Legitimation der Ausbeutung) wegfallen?

 

Zur Parteilichkeit


Das erste und vielleicht wichtigste Kriterium für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der Frage nach Tierrechten erfüllt Seeliger leider nicht: die philosophische Unparteilichkeit. Denn sie setzt dogmatisch – noch unabhängig von Argumenten – fest, dass eine Gruppe zugunsten einer anderen privilegiert sei und diese andere (rechtlose) Gruppe ausbeuten dürfe. Seeliger bezeichnet ihre Position in der Frage des Mensch-Tier-Verhältnisses entsprechend ehrlicherweise gleich selbst als „quasi-religiös“ und „dogmatisch“. Sie wolle sich nun mal für (einen höheren Rang der) Menschen einsetzen. Sich für Tierrechte einzusetzen sieht sie als vergleichsweise „absolut unwichtig“ an. Dennoch gäbe es gute Gründe für die vegane Lebensweise. Die seien jedoch nicht tierrechtlerischer Natur, sondern haben zum einen mit dem Menschen zu tun (Umwelt- und Klimaschutz, sowie globale Gerechtigkeit), zum anderen mit Tierschutz, wie er derzeit vorangetrieben werde: regulierend, aber die Tierausbeutung selbst nicht in Frage stellend. Fraglich ist, ob in ethischen Diskursen eine Doppelmoral akzeptabel ist. Ob moralische Argumente und Logik auf der einen Seite (bezogen auf eine Gruppe) Gültigkeit haben, auf der anderen (bezogen auf eine zu diskriminierende Gruppe) jedoch nicht. Wie wichtig ist hier nun die Unparteilichkeit? Sie ist elementar, grundlegend. Ohne sie – also mit einer „Basta“-Haltung – disqualifizieren wir uns in ethischen Diskursen. Erst sie ermöglicht es uns, intersubjektiv vermittelbare Argumente zu entwickeln und zu beurteilen. Es macht eigentlich keinen Sinn, mit Leuten zu debattieren, die sich von Argumenten nicht bewegen lassen wollen, weil sie „festgelegt“ sind.

 

Linke Kritik am Antispeziesismus


Einen wesentlich besseren Eindruck als Seeliger machen ein paar Leute der Jungen Linken, die regelmäßig Vorträge und Workshops gegen die antispeziesistische Position machen. Immerhin lesen und interessieren sie sich für die Texte und hervorgebrachten Theorien des Antispeziesismus. In den Workshops werden Texte von Tom Regan, Birgit Mütherich und Marco Maurizi, sowie zu „Unity of Oppression“ behandelt. Zu den Seminaren der Jungen Linken gab es in der TIERBEFREIUNG gleich zwei Artikel: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“ und „Wölfe im Schafspelz“8. Der erste spricht der Jungen Linken noch nicht die Redlichkeit ab, sondern bemängelt lediglich, dass sie sich nicht kritisch genug mit den zu lesenden Texten auseinandergesetzt hätten und zu wenig an Argumenten (aus Texten und Workshops) entwerten könnten (selbst wenn sie es anders sehen). Im Seminar würde es aber einen freundlichen und sachlichen Umgang geben, Positionen und Einwände würden nicht über-, sondern auf sie eingegangen. Zur Position der Jungen Linken schreiben Heisler und Kurth, dass ein ökonomischer Ansatz vertreten werde, außerdem die Meinungen, dass Rechte nicht zur Sicherung der Freiheit von Individuen geeignet wären und dass der Speziesismus keine Herrschaftsform sei, da Tiere nicht vernunftbegabt und somit „von Natur aus“ für menschliche Zwecke benutzbar seien, während Sexismus und Rassismus von den Involvierten selbst angegangen werden könnten. Der zweite Artikel („Wölfe im Schafspelz“) klärt über das eigentliche Programm der Jungen Linken auf, nämlich vorsätzlich eine Ethik ausschließlich für Menschen betreiben zu wollen. Zwar zeigten sie sich bemüht und würden keine „Mantras“ herunterleiern. Doch ihr Selbstverständnis sei: „Kritik an kapitalistischer Benutzung von Mensch und Umwelt in Sachen Profit machen wir am Schaden für die Menschen und ihrer Erniedrigung fest.“ Selbst von anarchistischer Seite aus, die sich doch eigentlich für eine gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft einsetzt, wird der Antispeziesismus kritisiert. In der Zeitschrift graswurzelrevolution erschien 2009 ein Artikel, der in vielen Punkten ähnlich wie Julia Seeliger argumentiert.9 Etwas sonderbar mutet es dabei an, wenn selbst ein Anarchist meint, dass jeder zoologischen Art (also auch dem Menschen) ein Speziesismus „zuzubilligen“ wäre. Susann Witt-Stahl erkennt „Relikte des Sozialdarwinismus“ „in der Alltagsmoral der meisten Menschen“ und nimmt damit die Linken nicht aus: „In dieser Ableitung von Normen aus der Natur als Schauplatz akzeptierten unendlichen Leidens, in der Propagierung eines Dualismus von wertem menschlichen und unwertem tierischen Leben findet ein gesellschaftlicher Schulterschluss von Faschisten, Konservativen, Links-Liberalen bis hin zur radikalen Linken statt. Die Unterdrückung der Tiere gilt als unantastbares Naturgesetz.“10

 

Herrschaft durch abgrenzende Kriterien


Immer wieder wurden von den Herrschenden Kriterien angeführt, die Andere als „Andere“ im Sinne einer „binären hierarchischen Opposition“ (BHO)11 von der eigenen, aufgewerteten Gruppe absonderten, abwerteten und deren strukturelle Unterdrückung legitimierten. Mangels vermeintlich moralisch relevanter Eigenschaften (nicht erfüllte Kriterien) – eigentlich aber, weil es im ökonomischen Interesse von den Herrschenden gewesen sein dürfte und zu einer „ethischen und psychohygienischen Entlastung“ (Mütherich) führte – wurden auch Menschen als „das Andere“ konstruiert und mittels einer BHO geringer gewertet und unterdrückt.

Eine über Kriterien hergeleitete, vermeintlich „natürliche“ Herrschaftsordnung, wie sie viele Menschen unserer Kultur im Mensch-Tier-Verhältnis zu erkennen glauben, wurde in früheren Epochen auch innerhalb der Menschheit angenommen. So teilte Aristoteles zum Beispiel nicht den Gleichheitsgedanken und unterschied zwischen (männlichen) Bürgern und „von Natur aus“ rechtlosen Sklaven. Kinder durften seinem Verständnis nach auch geschlagen werden. Andere Formen der historischen Unterdrückungen traf Nicht-Christen (Religionszugehörigkeit), Frauen und andere Nicht-Männer (Geschlechtszugehörigkeit), Arme (wirtschaftliche Lage), politisch Andersdenkende („richtige Einstellung“), geistig Beeinträchtigte und alte Menschen (Geistesleistung), Schwarze, Asiaten etc. („Rasse“), Homosexuelle etc. (sexuelle Orientierung) und so weiter. Diese gefährlichen Intuitionen, dass manche Menschen aufgrund oder mangels gewisser Eigenschaften zu diskriminieren seien, sind aber auch heute noch wirkungsstark. Sollen wir sie hinnehmen? Oder mit dem dogmatischen Argument „Aber es sind doch auch Menschen, haben auch Menschenwürde …“ auftreten? Darauf ließe sich erwidern: „Ja, natürlich, ich will sie ja auch nicht töten. Aber sie sind eben anders. Und wer anders ist, sollte auch anders behandelt werden. Das Gleichheitsprinzip besagt: Gleiches gleich, Ähnliches ähnlich, und Ungleiches ungleich zu behandeln.“ Was macht nun alle Menschen zu Gleichen? Und will man das überhaupt, die eigenen Privilegien zugunsten einer Gleichheit aufgeben?

Zur Bekämpfung der Herrschaft und Unterdrückung an sich müssen vordergründig die diskriminierenden, zur Legitimierung von Unterdrückung dienenden Kriterien hinterfragt werden. Gezeigt werden soll: Die bisherigen Kriterien, die „den Menschen“ von der Natur oder „dem Tier“ abgrenzen sollten, taugen nicht einmal zur Einheitsbestimmung und Befreiung aller Menschen, weil es immer Menschen geben wird, die den als relevant bezeichneten Kriterien nicht entsprechen. Und weil es immer Menschen mit der Definitionsmacht geben wird, zu bestimmen, welche Menschen (aufgrund entsprechender Kriterien) gleicher seien als andere. Anstelle der ausschließenden Kriterien (wie Vertrags- oder Moralfähigkeit, oder die vermeintlich richtige Hautfarbe, politische Einstellung, Nationalität, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Spezieszugehörigkeit etc.) muss aus ethischer Sicht grundlegender angesetzt werden: Was ist die (wirklich) moralisch relevante Eigenschaft, die ein Wesen zu einem Objekt der Moral macht?

Es ist allein die Eigenschaft, empfindungsfähig zu sein, die jene Wesen vereint, denen es subjektiv wertend etwas ausmacht, was mit ihnen geschieht. Nur empfindungsfähigen Wesen kann im moralischen Sinne „Schaden“ zugefügt werden. Das in moralischer Hinsicht zu Vermeidende ist der subjektiv erfahrene Schaden. Wenn basal beim Wesentlichen angesetzt und argumentiert wird, anstatt willkürlich Kriterien zu bestimmen, die der eigenen Gruppe entsprechen, dann bekämpft man nicht nur die Unterdrückung an ihrer Wurzel, nämlich in ihrer Struktur, sondern man hat auch etwas argumentativ Schlagendes in der Hand, um anderen Kulturen mit ihren kultureigenen Herrschaftskriterien moralische Vorhaltungen machen zu können. Eine einzige gründliche Analyse der Strukturen, die zu Herrschaft, Unterdrückung und Diskriminierung führen, würde das Problem an der Wurzel bekämpfen. Dazu müsste beim Wesentlichen angesetzt werden, der Empfindungsfähigkeit. Dies führt eher dazu, moralisches Unrecht (auch gegen Menschen) zu vermeiden, als jene willkürlichen Kriterien, welche die „moralische Gemeinschaft der Gleichen“ von jenen „Anderen“ abzugrenzen versuchen, die diese Kriterien nicht erfüllen. Diese Kriterien begründen weniger den Schutz der Exklusiven, als die Diskriminierung der als „anders“ Konstruierten. Mit der Zeit ändern sich immer wieder die gesellschaftlich vorherrschenden Ansichten, entsprechend ändern sich auch immer wieder die als relevant angesehenen Kriterien. Beibehalten wird allerdings ihre Struktur: Andere auszuschließen.

Heute sind es neben den nicht-menschlichen Tieren vor allem noch die Alten, die Kulturfremden, die Armen, die Unproduktiven, die weniger Intelligenten und die psychisch, geistig und körperlich Beeinträchtigten, die meiner Ansicht nach noch stärker als „Andere“ im Sinne einer binären hierarchischen Opposition behandelt werden, als Frauen, Kinder, Homosexuelle und Menschen mit Migrationshintergrund. Soll nun der Kriterienkatalog jeweils aktualisiert werden, um die „Wir“-Gruppe entsprechend erweitern und die „das Andere“-Gruppe weiterhin ausschließen zu können? So ein Katalog wird nicht nur unübersichtlich, sondern lädt auch immer wieder zu neuen Ausgrenzungen ein – weil die Kategorie „das Andere“ beibehalten wird. Der Katalog ginge auch nicht das Problem im Kern an, nämlich die Diskriminierung ermöglichenden Strukturen und Einstellungen. Dass nämlich eine herrschende, definitionsmächtige Gruppe, die über das „Wir“ bestimmt, andere Gruppen willkürlich ausschließen und unterdrücken kann. Es hilft auch nichts, als Kriterium das biologische Mensch-Sein zu wählen. Denn faktisch wirken die Unterdrückungsstrukturen fort. Trotz des gesellschaftlich getragenen Postulats der „Menschenwürde“ muss scheinbar die Politik einschreiten und Antidiskriminierungsgesetze bestimmen und Frauenquoten einführen.

 

»Der Befreiungsgedanke beginnt nicht bei der Frau und endet nicht beim Schwulen.«


Soziale Konstruktionen des Anderen


Unabänderliche Kriterien wie die Hautfarbe werden zur Bestimmung und Positionierung eines Menschen genutzt. Die Konstruktion „des Schwarzen“ als einem Wesen, das ewig „schwarz“ bleiben wird, geht über zu einer „metaphysischen“ und „tiefenkulturellen“ Gewissheit, nämlich dem Glauben an die „Naturgegebenheit“ eines „Untermensch“-Seins oder Sklave-Seins, das sich aus eben diesem Unveränderlichen, Ewigen ergebe: dem Schwarz-Sein eines Wesens. Für strukturell Unterdrückte gilt, wie die Soziologin Birgit Mütherich12 schreibt: „Sie sind Opfer, weil sie anders sind, und sie sind anders, weil sie schon immer Opfer waren.“

Dabei sei „das Tier“ die „ideale Projektionsfläche für das Böse, Gottferne und Anti-Menschliche“, so Mütherich. „Das Tier“ stehe für „den Prototyp des Anderen, den es zu beherrschen gilt“, und diene damit als Modell. An ihm wird die strukturelle Gewalt gegen Menschen geübt und nachgebildet. Der Speziesismus bilde als Ideologie13 und als „fundamentale Theorie des biologischen Unterschieds“ die wesentliche Grundlage auch anderer, innermenschlicher Ausgrenzungsformen. Die historisch wirkungsmächtigsten Theorien, etwa jene von Aristoteles, Thomas von Aquin, Luther und Descartes, würden „eine wesensmäßige Ungleichheit und eine hierarchische Seinsordnung nicht nur auf das Mensch-Tier-Verhältnis, sondern auch auf die Verhältnisse zwischen menschlichen Gruppen beziehen.“ „Analog zur traditionellen Abgrenzung des Menschen gegenüber Mitgliedern anderer Spezies bringen [...] ausschließende Selbstbestimmungen stets asymmetrische Gegenbegriffe hervor und erzeugen damit qua Definitionsmacht Fremdgruppen, denen negative Eigenschaften zugesprochen werden.“ Die Definitionsmacht des Menschen legte historisch das nicht-menschliche Tier als „das Andere“ fest, die Definitionsmacht des Weißen den farbigen Menschen, die des Mannes die Frau.

Mütherichs These lautet daher: Nicht nur „das Tier“ wurde und wird von den Herrschenden als Gegenpol, als „das Andere“ konstruiert. Auch innermenschlich gab und gibt es diese „sozialen Konstruktionen des Anderen“. So wurden auch „der Barbar“, „der Wilde“, „der Schwarze“, „der Jude“ oder „die Frau“ von den Herrschenden als soziale Gruppe so konstruiert, dass sie aus einer natürlichen Ordnung heraus minderwertig seien und den Zwecken der herrschenden Gruppe zu dienen hätten. Zwischen dem Tier-Konstrukt und dem Frauenbild bestünden dabei „nicht nur einzelne Schnittstellen und strukturelle Analogien, sondern inhaltliche Übergänge und Wechselwirkungen“. „Die Reduktion auf Naturhaftigkeit, Körper und Instinkt sowie die Unterstellung eines Mangels an Vernunft und Individualität, die im Falle der Tiere deren Versachlichung ermöglicht und die totale Herrschaft über ihre Körper und Psychen sichert, gehörte über zweitausend Jahre lang auch zum Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmuster gegenüber Frauen.“

 

Gemeinsame Unterdrückungsstrukturen


Anschaulich analysieren die britischen Soziolog_innen Karen Morgan und Matthew Cole die Verbindungen von Speziesismus mit der Unterdrückung von Menschen: „die-selben Prozesse der Verobjektivierung und des Unsichtbar-Machens“ interagierten miteinander und stärkten sich gegenseitig. Cole im Interview: „Für mich führte das Studium der Arbeiten anderer Wissenschaftler_innen, in denen die Verbindungen zwischen dem Missbrauch von Frauen, Kindern und anderer Tiere hervorgehoben wurden, schnell zu einem wachsenden Bewusstsein darüber, dass alle Formen der Unterdrückung miteinander verbunden sind. Die Prozesse der Marginalisierung, Verleugnung, Rechtfertigung und Rationalisierung sind alle sehr ähnlich – ob wir nun rassistischen, homophoben, gender-bedingten oder speziesistischen Missbrauch erörtern.“14

Mit dem „Unity of Oppression“-Ansatz findet eine Auflösung der Einteilung in Haupt- und Nebenwidersprüche einer Gesellschaft statt. Die Frage nach gemeinsamen Herrschaftsstrukturen tritt in den Vordergrund. Zur ursprünglichen Theorie der „Triple Oppression“ (die drei diskriminatorischen Merkmale sind hier: Gesellschaftsschicht, Ethnie/„Rasse“ und Geschlecht) kommen immer weitere Merkmale hinzu (zum Beispiel Religion, politische Einstellung, Alter, Aussehen, Sexualität, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, Spezieszugehörigkeit). Treten bei einer Person mehrere dieser Merkmale auf, kann es sogar zu einer „Überlappung mehrerer Benachteiligungen“, einer „multiplen Diskriminierung“ kommen.15

Die Ablehnung des Anderen aufgrund gewisser Abweichungen oder Unterschiede wird auch als „Heterophobie“ bezeichnet, als „Rassismus im weiteren Sinne“, von dem auch Beeinträchtigte, Obdachlose, Frauen, Homosexuelle etc., aber eben auch nicht-menschliche Tiere betroffen sein können. Mütherich bezieht sich in ihren Texten auf Albert Memmis Definition des Rassismus. Diskriminierung findet demnach in vier Schritten statt: Zunächst wird die (vermeintliche) Differenz bestimmt, dann werden die Unterschiede zum Nutzen der eigenen Gruppe bewertet, schließlich werden sie verabsolutiert, woraus sich eine „naturgegebene“ Legitimation der Unterdrückung ergibt. Wir haben es beim Rassismus (auch im erweiterten Sinne) stets mit einer „Theorie des biologischen Unterschieds“ zu tun, so Memmi.

Neben der sozialen Konstruktion des Anderen ist diese Heterophobie das Hauptproblem, das politisch und pädagogisch angegangen und überwunden werden müsste. Für emanzipatorisch eingestellte Menschen muss folglich das Ziel sein, nicht nur partiell einen Befreiungskampf (also für eine bestimmte unterdrückte Gruppe) zu führen, sondern auch die Wurzel der Herrschaft, die Unterdrückungsstrukturen an sich, zu bekämpfen.

 

Tierrechte – im Interesse des Menschen


Immerhin gestand Seeliger ein, dass Tierrechte für sie aus politischer Sicht akzeptabel wären, wenn sie auch dem Menschen nutzen würden. Auch das wollte ich im Seminar aufzeigen: Eine Gesellschaft würde nicht nur die nicht-menschlichen Tiere als Schwache und Unterdrückte aus dem (Mensch-Tier-)Herrschaftsverhältnis befreien, sondern auch sämtliche Mitglieder dieser Gesellschaft und sich selbst als Ganze, wenn sie diskriminierende Herrschaftsstrukturen an sich ablehne und zerschlüge. Es ist im langfristigen Interesse der Menschen einer Gesellschaft, wenn nicht vermeintlich geeignete Kriterien ausschlaggebend dafür sind, welche Wesen Mitglieder der moralischen Gemeinschaft (und somit moralisch gleichwertig zu berücksichtigen) sind, und welche nicht. Sondern wenn das moralisch Relevante direkt zu Rechten führte. Es bedarf keiner Umwege, die zudem von den Herrschenden manipuliert werden könnten. Anstelle einer teils willkürlichen, brüchigen, instabilen Ethik würde eine rationale und konsequente Ethik stehen, die keine Wesen diskriminiert, deren Wohlergehen Schaden zugefügt werden könnte.16 Wir sollten aufhören, andere Wesen oder Gruppen als „Andere“ zu konstruieren und abzuwerten – nicht zuletzt, weil wir selbst zu den Opfern dieses Systems werden könnten. Das moralisch Relevante ist die Empfindungsfähigkeit. Denn mit ihr hat ein Wesen (ob menschlich oder nicht) ein subjektives Wohl, ein Wohlergehen, ein „gutes Leben“, das gefördert oder geschädigt werden kann. Und an dem diesem Wesen implizit etwas liegt, an dem es ein substantielles Interesse hat. Diese Eigenschaft allein sollte die Zugehörigkeit zur „Wir“-Gruppe, der moralischen Gemeinschaft der Gleichen, bestimmen. Wenn wir durch einen Unfall oder durch das Alter so beeinträchtigt würden, dass wir nicht mehr den hochtrabenden Kriterien unserer ach so menschenfreundlichen Gesellschaft genügen, würden wir nicht so behandelt werden wollen, wie derzeit in der Regel Beeinträchtigte und Demenzkranke behandelt werden. Indem wir Unterdrückungsstrukturen zerschlagen und nicht unsererseits als Herrschende auftreten, die ihre noch gegenwärtige Herrschaft über Andere erhalten wollen, schaffen wir es vielleicht, die Welt ein bisschen gerechter zu gestalten. Der Befreiungsgedanke beginnt nicht bei der Frau und endet nicht beim Schwulen. Beeinträchtigten und anderen „Randgruppen“ wird heute in Deutschland die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert.

 

»Es bleibt nur die reine Artenarroganz als „Argument“ übrig, der reine, unqualifizierte Speziesismus, das biologische Kriterium des Mensch-Seins.«

 

Fazit


Leider war es dem Seminar nicht möglich, Julia Seeliger argumentativ von ihrem Konstrukt des bösen und „anti-aufklärerischen“ Tierrechtlers abzubringen. Sie erkannte nicht, dass diskriminatorische, vorgeschobene Kriterien (wie zum Beispiel die „Kulturfähigkeit“) es nicht vermögen, alle Menschen direkt abzusichern (weil nicht alle Menschen diesen entsprechen). Zudem ist die Dichotomie „Kultur“ (seitens „des Menschen“) versus „Natur“ (seitens „des Tieres“) spätestens seit der Kognitiven Verhaltensforschung hinfällig. Tiere haben (arteigen und zugleich individuell) Geist und sind nicht „instinktgesteuert“. „Sie“ sind in der Regel (aber auch nur da) „weltärmer“ als „Menschen“ – doch auch nicht-menschliche Tiere haben Welt.17 Je nach Individuen haben „sie“ sogar mehr Welt als Menschen. Dies ist in einer egalitaristischen (gleichbehandelnden) Theorie jedoch moralisch irrelevant.

Bei Seeliger bleibt nur die reine Artenarroganz als „Argument“ übrig, der reine, unqualifizierte Speziesismus, das biologische Kriterium des Mensch-Seins. Auch eine erweiterte Argumentation (so tun, „als ob“ alle Menschen kulturfähig wären) führt nicht weiter, weil sie irrational ist. Wenn es darum geht, Grenzen zu ziehen, kann man nicht einfach sagen, dass eine Spezies wie der Mensch „üblicherweise“ kulturfähig ist, woraus sich eine Sonderstellung ergäbe, welche dann allen Individuen dieser Spezies naturgemäß zukäme. Das ist irrational und zudem willkürlich gesetzt. Aus der Kulturfähigkeit ergibt sich auch kein Wert an sich, erst recht nicht, wenn man nicht Menschen diskriminieren möchte, die ihrerseits nicht kulturfähig sind. Eine solche Ethik ist instabil.

Mir wurde im Nachhinein erst klar, dass es (Leuten wie) Seeliger eigentlich gar nicht um eine rationale Auseinandersetzung geht. Sie setzt sich ihre Position und hält an ihr fest: Menschen und Tiere sollte man nicht vergleichen. Punkt. Tierschutz sei wichtig, Tierrechte zu fordern erniedrige jedoch den Menschen und führe dazu, dass der Staat darüber bestimme, was sie im Magen hätte. Na ja. Es gab immer Widerstand gegen Befreiungsbewegungen. Stets wurde damit argumentiert, dass man nicht bereit sei, die Freiheiten von Seinesgleichen (Recht auf Sklavenhaltung, Manchesterkapitalismus, Vormundschaft über Frauen, individuelle Erziehungsmethoden ...) aufzugeben. Sklaven, Schwarze, Frauen oder Kinder seien naturverbundener und untergeben, aus einer natürlichen Ordnung heraus gebührten ihnen keine (vollen) Rechte, zumindest jedoch keine Gleichstellung mit dem Bürger, dem Weißen, dem Manne, dem Erwachsenen. Zugegeben, bei nicht-menschlichen Tieren verhält es sich etwas schwieriger als bei innermenschlichen Diskriminierungen. Es ist schwieriger für uns, uns in andere Spezies und ihren Geist einzufühlen, sie haben auch ein anderes Leben als wir. Außerdem sind nicht-menschliche Tiere nicht fähig, explizit gegen ihre Ausbeutung zu protestieren. Doch das gilt auch für manche menschliche Gruppe und Individuen, die sich nicht selbstständig emanzipieren kann/können und stellvertretend gegen ihre Diskriminierung und Unterdrückung gekämpft wird. Gemeinsam mit nicht-menschlichen Tieren haben wir Menschen das „gute Leben“, das „Wohlergehen“, etwas, an dem uns liegt, an dem wir Interesse haben und das geschädigt werden kann. Empfindungsfähige Wesen sind aufgrund ihrer Empfindungsfähigkeit moralische Objekte. Und nur Rechte schützen Interessen. Wer sich der herrschaftlichen Logik eines Sklavenhalters bedient und sich ohne bessere Argumente ideologisch einer Tierrechtsdebatte versperrt, versteckt sich konservativ und konservierend hinter dem willkürlichen und traditionellen System der Herrschenden.

Gegen die Herrschaftsausübung gegen Schwächere und zum „Kampf gegen jede Ausbeutung“ rief der Sozialist Leonard Nelson auf: „Ein Arbeiter, der gegen die Ausbeutung kämpfen will, darf aber erst recht nicht selbst an der Ausbeutung teilnehmen. [...] Er kann das [...], indem er seine Frau und seine Kinder prügelt. Ja, er kann das in einer noch viel schlimmeren Weise. Er kann das, indem er dasselbe, was der Kapitalist mit ihm macht, mit denen tut, die sich gegen ihn noch viel weniger wehren können als er gegen den Kapitalisten, – die die Allerwehrlosesten sind, die sich nie durch Koalition zusammentun können, um allmählich ihre Rechte in einem Klassenkampf zu erobern. Ein Arbeiter, der nicht nur ein ‚verhinderter Kapitalist‘ sein will, und dem es also Ernst ist mit dem Kampf gegen jede Ausbeutung, der beugt sich nicht der verächtlichen Gewohnheit, harmlose Tiere auszubeuten, der beteiligt sich nicht an dem täglichen millionenfachen Tiermord [...]. Entweder man will gegen die Ausbeutung kämpfen, oder man läßt es bleiben. Aber wer als Sozialist über diese Forderungen lacht, der weiß nicht, was er tut. Der beweist, daß er nie im Ernst bedacht hat, was das Wort ‚Sozialismus‘ bedeutet.“18

von Emil Franzinelli

Fußnoten:

[1] http://julia-seeliger.de/spunk-und-die-tiere und http://julia-seeliger.de/den-tieren-keine-menschenwurde
[2] Die Diskussion zum Holocaust-Vergleich führt hier zu weit. Dazu verweise ich auf zwei Texte von Susann Witt-Stahl: „Auschwitz liegt nicht am Strand von Malibu und auch nicht auf unseren Tellern. Kritische Anmerkungen zum ‚KZ-Vergleich‘“ in: TIERBEFREIUNG Heft 44, Juli 2004, siehe auch hier: www.tierrechts-aktion-nord.de/texte/petakritik.html und „Das Tier als ‚der ewige Jude‘? Ein Vergleich und seine Kritik als Ideologie“ in: Susann Witt-Stahl (Hrsg., 2007), sowie auf Charles Patterson (2004).
[3] Markus Wild (2008): Tierphilosophie zur Einführung (mit Verweis auf die „anthropologische Differenz“ und auf Derrida), Klaus Peter Rippe (2008): Ethik im außerhumanen Bereich (Theorie, warum Tierrechte im langfristigen Interesse von Menschen sind), BerTA-Reader: Befreiung hört nicht beim Menschen auf!, Susann Witt-Stahl (Hrsg., 2007): Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen. Beiträge zu einer kritischen Theorie für die Befreiung der Tiere (mit Verweis auf ihren Text zum Holocaust-Vergleich), Charles Patterson (2004): „Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka“. Über die Ursprünge des industrialisierten Tötens, Carol J. Adams (2002): Zum Verzehr bestimmt. Eine feministisch-vegetarische Theorie, Peter Singer (1994): Praktische Ethik. Neuausgabe, Peter Singer und Helga Kuhse (1993): Muß dieses Kind am Leben bleiben?, Rainer Hegselmann und Reinhard Merkel (Hrsg., 1992): Zur Debatte über Euthanasie. Beiträge und Stellungnahmen, Robert Spaemann und Thomas Fuchs (1997): Töten oder sterben lassen? Worum es in der Euthanasiedebatte geht.
[4] In Kürze erscheint Singers dritte Ausgabe seines Hauptwerkes Praktische Ethik. Die zweite, wesentlich überarbeitete Ausgabe (1994) verdeutlicht, dass man sich zum besseren Verständnis seiner Theorie auch mit seinem Lehrer Richard M. Hare auseinandersetzen sollte: Moralisches Denken. Seine Ebenen, seine Methode, sein Witz (1992). Hare sieht im Kantianismus und Utilitarismus keinen strikten Gegensatz.
[5] Ein Interesse an dem Missverständnis um den „Euthanasie“-Begriff hatten unter anderem christliche Dogmatiker_innen wie Robert Spaemann, die sogar eine Zensur für Singers Bücher und Redeverbot in der Öffentlichkeit forderten. Der Grund ist verständlich: Die christliche Ethik verliert nicht nur ihre (letzte) Monopolstellung in unserer Gesellschaft, sondern auch immer mehr an Einfluss. Sie kann nicht-christliche Menschen nicht mehr überzeugen, wenn sie sich auf Gott oder eine göttliche Ordnung beruft, und steht nunmehr in Konkurrenz zur rationalen Moralphilosophie. Tabus brechen weg, so zum Beispiel, dass das (menschliche) Leben „heilig“ sei (Gott gibt und Gott nimmt), aber auch die Sonderstellung des Menschen. Spaemann selbst ist gegen die Tötung von Menschen. Sobald eine Eizelle befruchtet ist, sei dieses entstehende Leben heilig. Er befürwortet auch das qualvolle Sterben von verzweifelt um Erlösung bittenden Krebskranken, denen die Schmerzmittel nicht mehr ausreichend helfen. Spaemann möchte nicht, dass Menschen der frühzeitige Tod ermöglicht wird, selbst wenn es in deren höchst-eigenem Interesse ist und sie sogar um die Erlösung bitten.
[6] Marco Maurizi formulierte es in einem Interview folgendermaßen: „Die Mensch-Tier-Beziehung ist [...] als Herrschaftsverhältnis auch ein Widerspruch. Der Widerspruch liegt darin, dass wir Tiere ausbeuten, weil wir uns als Nicht-Tier vorstellen. Diesen Widerspruch gilt es aufzulösen. Ich würde deshalb sagen, dass eben weil wir Tiere sind, ist das Subjekt der Tierbefreiung [auch] der Mensch, nämlich der Mensch als Tier.“ Maurizi vertritt übrigens einen nicht-ethischen, historisch-materialistischen Ansatz: „Wir beuten Tiere nicht aus, weil wir sie für niedriger halten, sondern wir halten Tiere für niedriger, weil wir sie ausbeuten.“ Siehe: www.tierrechtsgruppe-zh.ch/wp-content/files/marco_maurizi_interview.pdf.
[7] Beachte zur Diskussion von Rechten vor allem Klaus Peter Rippe (2008).
[8] Georgine Heisler und Markus Kurth: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Linke Kritik des Antispeziesismus“ in: TIERBEFREIUNG Heft 64, Oktober 2009: www.tierbefreier.de/tierbefreiung/64/junge_linke_veganismus.html und Sarah Mayer: „Wölfe im Schafspelz - Die ‚Junge Linke‘ und die Tierbefreiungsbewegung“ in: TIERBEFREIUNG Heft 66, März 2010: www.tierbefreier.de/tierbefreiung/66/junge_linke.html
[9] Menschen seien „von Natur aus Kulturwesen“, der Antispeziesismus führe „zu einer ethischen Verwahrlosung“, wieder Peter Singer und PeTAs Holocaust-Vergleich-Kampagne und wieder die Befürchtung: „In demselben Vollzug, in dem Tiere ethisch auf die Ebene von Menschen gehoben werden, werden Menschen auf die Ebene von Tieren herabgedrückt.“ Rüdiger Haude: „Antispeziesismus? Schmeckt mir nicht! Ein Beitrag zur Diskussion um Tierrechte“ in: graswurzelrevolution Heft 340, Sommer 2009: www.graswurzel.net/340/tierrechte.shtml. Ebenfalls ähnlich und nicht besser als Seeliger, aber dennoch am Rande erwähnt, ist der Aufruf der AK Gibraltar gegen den Antispe-Kongress 2008: „‚Da steht ein Pferd auf‘m Flur...‘ – warum Antispeziesismus kein harmloser Schlager ist“: http://gibraltar.blogsport.de/images/pferd_auf_dem_flur_01.pdf. Eine angemessen kurze Erwiderung darauf: http://brennessel.blogsport.de/2008/07/25.
[10] Susann Witt-Stahl: „Der Speziesismus und seine Verflochtenheit mit herrschenden Ideologien“: www.tierrechts-aktion-nord.de/texte/speziesismus.html
[11] Eine konstruierte „binäre“ „hierarchische“ „Opposition“ sieht so aus, dass zwei Gruppen einander entgegen gesetzt werden, wobei eine Gruppe über der anderen stehen soll. Beispiele sind Mann/Frau, weiß/schwarz, deutsch/kulturfremd, „normal“/„anormal“, Kultur/Natur, Mensch/Tier. Markus Wild (2008) bezeichnet sie als „mächtige Konstrukte, die unser Denken beherrschen“. „Die Metaphysik privilegiert nun stets eine Seite einer BHO und erklärt die andere Seite zum Dunklen, Derivaten, Kontingenten usw. Sie ist dadurch direkt mit einem Anspruch auf Vorrang und Herrschaft verbunden. Sie konstruiert Unterscheidungen, vergisst aber gleichsam diese Konstruktion und nimmt sie als naturgegebene Unterscheidungen.“
[12] Beachte ihre beiden Texte: „Die soziale Konstruktion des Anderen – zur soziologischen Frage nach dem Tier“ (2003/05): http://home.arcor.de/veganerin/dl/SozialeKonstruktiondesAnderen.pdf und „Speziesismus, soziale Hierarchien und Gewalt“ (2004/05): http://home.arcor.de/arcorrevia/pdf/B.Muetherich-Speziesismus.pdf
[13] Zum Verständnis von Ideologie im Denken beachte das erste Kapitel („Merkmale von Ideologien“) von Andre Gamerschlag in: „Speziesismus und Ideologie: Über das falsche Bewusstsein der SpeziesistInnen“: http://buchprojekt.antispe.org/download/buch.pdf (S.7-10).
[14] Siehe Karen Morgan und Matthew Cole: „Die Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere verstehen – Warum gibt es nicht mehr Widerstand?“ in: TIERBEFREIUNG Heft 65, Dezember 2009: www.tierbefreier.de/tierbefreiung/65/vegatopia.html und Karen Morgan und Matthew Cole im Interview: „Eine positive Veränderung für andere Tiere erreichen“ in: TIERBEFREIUNG Heft 65, Dezember 2009: www.tierbefreier.de/tierbefreiung/65/vegatopia_interview.html. Beachte zum Thema auch Carol J. Adams (2002) und Charles Patterson (2004).
[15] Vergleiche dazu Andre Gamerschlag: „Einheit der Unterdrückung und (Über-)Kreuzungen“ in: TIERBEFREIUNG Heft 65, Dezember 2009: www.tierbefreier.de/tierbefreiung/65/unity_of_oppression.html.
[16] Vergleiche dazu Klaus Peter Rippe (2008).
[17] Vergleiche Markus Wild (2008).
[18] Leonard Nelson: Lebensnähe (1926)